Bild: Nicht erst seit dem Fall Uli Hoeneß gilt Steuerhinterziehung in Deutschland nicht als Kavaliersdelikt. Den Angeklagten drohen lange Haftstrafen.

Magdeburg: Prozess gegen Steuersünder

In Magdeburg hat ein Prozess gegen acht vermeintliche Steuersünder begonnen. Sie sind angeklagt, Diesel hergestellt und falsch deklariert zu haben. Die sieben Männer und eine Frau hätten so Steuern in Höhe von 78 Millionen Euro hinterzogen. Den Angeklagten drohen nun Strafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Der Prozess wird sich voraussichtlich aber lange hinziehen. Der Anspruch auf Straffreiheit bei einer vollständigen Selbstanzeige wurde verwirkt. 

Langer und umständlicher Prozess erwartet

Die Aufmerksamkeit der Medien war dem Landgericht in Magdeburg sicher, als dort nun der spektakuläre Prozess gegen acht Angeklagte begann. Sieben Männer und eine Frau sollen den Kraftstoff Diesel selber hergestellt, falsch deklariert und so Steuern hinterzogen haben. Die Anklage vor Gericht pocht auf bandenmäßige Steuerhinterziehung. Laut der Staatsanwaltschaft hat die Gruppe zwischen 2012 und 2014 auf einem Gelände in Burg den dieselähnlichen Kraftstoff produziert und dann als Kraftstoff für Fahrzeuge ins Ausland verkauft.

Um Steuern einzusparen, wurde das Gemisch falsch deklariert, so dass die abzugebenden Steuern nicht griffen. So haben die Angeklagten Steuern in der exorbitanten Höhe von ca. 78 Millionen Euro hinterzogen. Auf ihrem Firmengelände wurde zudem eine Anlage zur Herstellung von Biodiesel gefunden. Die Produktion des Kraftstoffes lief wahrscheinlich hauptsächlich auf dem Firmengelände im Jerichower Land ab. Die Anklage der Staatsanwaltschaft umfasst stolze 5.600 Fälle, die den Angeklagten zur Last gelegt werden. Zwei der Beschuldigten befinden sich seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft.
Alle Beteiligten müssen sich auf einen äußerst langen Prozess einstellen. Die Wirtschaftsstrafkammer hat bereits zum jetzigen Zeitpunkt 30 Termine vor Gericht bis Jahresende anberaumt. Ausreichen wird diese Anzahl aller Voraussicht nach nicht. Allein beim Prozessauftakt befanden sich im Gerichtssaal nicht nur die drei Staatsanwälte und acht Angeklagten, über ein Dutzend verteidigende Anwälte sowie zahlreiche Dolmetscher komplementierten das Feld – chaotische, aber unumgängliche Zustände, da drei der Beschuldigten italienische, polnische und türkische Staatsbürger sind. Für die Übersetzer wurden extra kleine Sprecherkabinen aufgebaut und mit der entsprechenden Technik versehen. Das Bild der Unübersichtlichkeit wurde noch durch ca. 70 Kartons mit Akten, die in einer Ecke des Saals standen, ergänzt.

Der Prozess wird wohl noch des Öfteren dieses Bild abgeben und sich einige Zeit hinziehen. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen je nach Strafmaß eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Das Landgericht behandelt einen derartigen Fall aber nicht zum ersten Mal. Seit Dezember des vergangenen Jahres ist bereits ein sehr ähnlicher Prozess in Magdeburg in Gange. Sechs Angeklagte sollen auf dem gleichen Gelände im Jerichower Land bereits vor einigen Jahren Kraftstoffe hergestellt und für die Behörden falsch deklariert haben. Eine interessante Randnotiz ist, dass einer der jetzt angeklagten Verdächtigen zu der damaligen Zeit für die Geschäftsführung des Hofes gearbeitet hat. Der Steuerschaden bei dem älteren Fall liegt bei stolzen 13 Millionen Euro.


Die Bewertung des Kampfes der Bundesregierung gegen die Steuerhinterziehung fällt sehr gemischt aus. Bildquelle: eigene Darstellung

Straffreiheit bei Selbstanzeige

Steuerhinterziehungen in diesem Maße sind nicht erst seit der Steueraffäre um Uli Hoeneß kein Kavaliersdelikt mehr. Dem Staat gehen jährlich zig Millionen Euro verloren, dass die ehrlichen Staatsbürger indirekt ausbaden müssen. Eine exakte Überwachung seitens des Staates ist daher nicht verwunderlich. Sollte ein derartiges Vergehen aber begangen und anschließend zur Selbstanzeige gebracht werden, kann die Strafe für ein Delikt dieser Art extrem abgemildert werden. Sollte die Strafanzeige vollständig und zeitlich passend abgegeben werden, darf vom Gericht in bestimmten Fällen sogar eine vollständige Straffreiheit ausgesprochen werden.

Die Anzahl der Selbstanzeigen ist in den letzten Jahren deutlich geschrumpft. Die Redaktion des Fachportals Konto.org hat die Entwicklung der Fallzahlen in einer Studie zusammengefasst und pro 1.000 Einwohner gewichtet. Sie zeigt den Anstieg von Selbstanzeigen in den Jahren 2013 und 2014, gleichzeitig aber auch den extremen Rückgang in jedem Bundesland um teilweise deutlich mehr als 50 Prozent im Jahr 2015.

Unterschätzt werden sollte die Steuerhinterziehung allerdings nicht. Es ist und bleibt eine Straftat, die nach § 370 AO neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren nach sich ziehen kann. Freiheitsstrafen sind allerdings in der Regel erst ab Steuerhinterziehung von mindestens 100.000 Euro üblich. Zudem werden sie üblicherweise zur Bewährung ausgesetzt. Ab Hinterziehungen von mehr als einer Million Euro werden aber meistens Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt.

Dementsprechend verlockend ist die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 370 AO, auch wenn der Staat die Möglichkeiten deutlich eingeschränkt hat. Betroffene können so trotzdem eine Gefängnisstrafe umgehen, müssen aber auf einige Formalien achten:

  • Was sind die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige?

Eine Selbstanzeige ist nur möglich, wenn bisher keinerlei Verdacht geschöpft und Ermittlungen eingeleitet wurden. Ein konkreter Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit ist nicht einmal nötig. Es reichen bereits Steuernachprüfungen vom Finanzamt, um die Möglichkeit der Selbstanklage zunichte zu machen. Zudem ist der hinterzogene Betrag entscheidend. Bei einer Steuerhinterziehung von mehr als 25.000 Euro ist eine Strafbefreiung auf Grundlage von § 370 AO nahezu unmöglich. Von einer Strafverfolgung kann allerdings abgesehen werden, wenn rechtzeitig die vollständigen Hinterziehungszinsen sowie ein entsprechender Zuschlag gezahlt werden. Der Zuschlag richtet sich prozentual nach der Summe der hinterzogenen Steuern.

  • Wo muss die strafbefreiende Selbstanzeige erbracht werden?

Die Selbstanzeige muss beim zuständigen Finanzamt schriftlich und vollständig eingereicht werden. Nur dann besteht die Chance auf eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige. Eine Meldung bei der Polizei ist nicht wirksam, da dieses Vergehen nicht in deren Zuständigkeitsbereich fällt.

  • Was muss bei einer strafbefreienden Selbstanzeige angegeben werden?

Sämtliche noch nicht verjährte Steuerstraftaten der vergangenen letzten zehn Jahre müssen vollständig offengelegt werden. Wird eine Straftat nicht angegeben, verfällt der selbstbefreiende Anspruch.

Die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige beherbergt mehrere Tücken und sollte im Voraus genauestens geplant und überprüft worden sein. Ansonsten kann der Anspruch schon beim kleinsten Fehler verfallen und es droht je nach Umfang der Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe. Ein Fachanwalt für Steuerrecht kann äußerst hilfreich sein und sollte in derartigen Fällen unbedingt vorab hinzugezogen werden.

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