Das Hellsehen und Wahrsagen umgibt eine ungebrochene Faszination. Vor einigen Jahrhunderten suchte man sein Heil beim Dorfschamanen, heute geht man zu Mama Blumes Tochter Esmeralda auf dem Hamburger Winterdom oder lässt sich von den Hellsehern esoterischer Lebensberatungen wie Questico telefonisch unterstützen. Alles wie jeher also, mit der Ausnahme, dass sich hin und wieder Vorhersagen von globalem Ausmaß bewahrheiten. Und sogar die Polizei greift inzwischen auf geradezu hellsichtig anmutende Methoden zurück, um Verbrechen zu verhindern.
„Ich hab’s euch ja gesagt!“
Hellseher und Wahrsager werden sich wohl damit abfinden müssen, dass ihrer Tätigkeit ständig mit Skepsis begegnet wird. Unübersehbar und verblüffend zugleich ist aber, dass viele Visionen in letzter Zeit fast detailgenau eingetreten sind. Nostradamus ist sicherlich jedem ein Begriff. Er schrieb seine knapp 1.000 (!) Voraussagen in Form von vierzeiligen Gedichten nieder, was wohl einer der Gründe dafür ist, warum sie eher metaphorisch als prägnant anmuten. Angeblich verstecken sich in den rätselhaften Worten unter anderem der Aufstieg Adolf Hitlers, die Verfolgung der Falun Dafa in China und sogar sämtliche Erdbeben dieses Jahres entlang des Pazifischen Feuerrings.
Nicht nur Nostradamus lag richtig
Hierzulande etwas weniger bekannt, dafür in Bulgarien als Heilige verehrt, ist die als Baba Wanga (zu Deutsch: „Großmutter Wanga“) betitelte Mazedonierin Ewangelia Pandewa Guschterowa (1911–1996). Nachdem sie im Alter von 16 Jahren in einem Sandsturm erblindet war, hatte sie mehrere Visionen von zukünftigen Ereignissen, die tatsächlich eintraten. Dazu gehören solche allgemeinen, aber zu ihrer Zeit schwer abzuwägenden Phänomene wie das Schmelzen der Polkappen, aber auch spezifische Ereignisse wie der Untergang des russischen U-Boots „Kursk“ im Jahr 2000. Folgende Worte müssen 1989 noch recht kryptisch geklungen haben: Stählerne Vögel würden die amerikanischen Zwillinge zu Fall bringen. Eine Vorhersage, in der heute viele die Terroranschläge von 9/11 zu erkennen glauben. Ob Baba Wanga nun tatsächlich spirituell begabt war oder ob hier schlichter Zufall vorliegt, wird wohl immer ein Mysterium bleiben, weshalb Zweifel nur verständlich sind. Schließlich ist der ein ums andere Mal prognostizierte Weltuntergang auch noch nicht eingetreten.
Das „In-die-Zukunft-sehen“ der Zukunft
Für diejenigen, die gerne etwas Handfesteres wollen: Schon gewusst, dass die Bayerische Landespolizei in München Verbrechen jetzt voraussagen kann? Ein Medium ist dabei jedoch nicht im Spiel und so wie im Film „Minority Report“ läuft es auch nicht ab. Stattdessen errechnet ein Programm namens „Precobs“ anhand von nicht personenbezogenen Daten wie Anzeigen und Notrufen, wann und wo am wahrscheinlichsten Einbrüche und Diebstähle stattfinden. „Predictive Policing“ – „vorausdeutende Polizeiarbeit“ – nennt man das, ein neues System, das auch in den USA und Großbritannien zur Anwendung kommt. Mehrere Firmen sind gerade dabei, patentrechtlich geschützte und damit geheime Technologien und Algorithmen zu entwickeln, die den Profiler zum Propheten machen sollen. Dass etwa die Chicagoer „Heat List“ Menschen nach ihrem Kriminalitätspotenzial einstuft und einige für stärkere polizeiliche Überwachung vorschlägt, wird wohl bald für mehr Diskussion sorgen als das übliche Kartenlegen und Handlesen.
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