Jeder hat das schon erlebt: Der Duft einer Blume, das Aroma des Essens oder der Geruch des Parfums wecken Erinnerungen an eine Person oder ein Erlebnis. So weckt beispielsweise der Geruch von Wick VapoRub bei vielen Kindheitserinnerungen. Erinnerungen daran, bei einer Erkältung von der Mutter liebevoll eingesalbt worden zu sein. Wer diese Salbe im Erwachsenenalter wieder riecht, diese spezielle Mischung aus Eukalyptus und Menthol, wird sofort daran zurückdenken. Dabei kommt wahrscheinlich ein Gefühl von Geborgenheit auf, ein Gefühl von mütterlicher Fürsorge und die Gewissheit, dass alles gut wird. Diese Verknüpfungen lassen sich im Gehirn nachvollziehen.

Gerüche sind machtvoll

Schon in der Antike haben Menschen festgestellt, dass Gerüche Gefühle auslösen, dass Menschen einen Geruch wahrnehmen und sofort eine Empfindung haben, entweder unangenehm oder lustvoll. Das beschrieb schon Aristoteles. Riechen ist an sich allerdings nur ein chemischer Prozess. Pro Tag atmet der Mensch circa 25.000 Mal ein und aus. Dabei strömen Millionen von Duftmolekülen in die Nase. Die Riechsinneszellen am oberen Ende der Nasenschleimhaut nehmen diese Moleküle wahr und produzieren elektrische Signale. Diese wandern über bestimmte Nervenfasern ins Riechzentrum im Gehirn. Im Gehirn ist der Geruchssinn mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft. Für Raucher ist es beispielsweise sehr schwer, mit dem Rauchen aufzuhören, wenn sie immer wieder den Nikotingeruch wahrnehmen. Um dem abzuhelfen, gibt es die e-Zigarette. Dabei sind die Liquids, mit denen die Zigaretten sich benutzen lassen, normalerweise geruchsneutral. Die Aromen bringen erst den Genuss, denn kein Raucher möchte einfach nur vor sich hindampfen.

Gerüche gelangen ungefiltert ins Gehirn

Unsere Sinneswahrnehmungen – Sehen, Fühlen, Schmecken und Hören – filtert der Thalamus, bevor sie ins Gehirn gelangen. Erst danach gelangen sie in die Hirnrinde. Der Geruchssinn sitzt so nah am limbischen System, dass Gerüche sofort ins Gehirn vordringen – vor allem in zwei Gehirnregionen:  den Hippocampus und die Amygdala. Die Amygdala ist dabei das Organ, das Gerüche mit Ereignissen und Emotionen in Verbindung bringt. Dadurch, dass Gerüche ohne Filterung direkt ins Gehirn gelangen, verbinden sie sich sozusagen direkt mit Gefühlen und bleiben dadurch leichter im Gedächtnis. Evolutionsgeschichtlich ist dies durchaus sinnvoll. Der Geruch von verdorbenem Essen oder bestimmten giftigen Pflanzen erinnerte die Menschen einst sofort an die Magenverstimmung oder die Schmerzen. Das schützte vor einem nochmaligen Verzehr.

Was sagt die Forschung dazu?

Heute ist dieses Phänomen systematisch im Labor erforscht. Dabei haben die Forscher festgestellt, dass Geruchserinnerungen die emotionalsten Erinnerung sind, die Menschen haben können. Sie haben die Macht, Menschen direkt in die Vergangenheit zu versetzen. So weckt beispielsweise der Geruch nach Lebkuchen oder Spekulatius sofort kindliche Erinnerungen an Weihnachten. Nehmen Menschen angenehme Gerüche wahr, reagiert das limbische System. Es kann nostalgisch stimmen. Die Erinnerungen sind zumeist einzigartig emotional und zutiefst bewegend – und zwar sowohl in den Köpfen wie auch im Gehirn. Sicher ist es so, dass jeder andere aromatische Erinnerungsauslöser hat. Das kann frisch gesägtes Holz sein, der Duft nach Landleben oder nach dem Meer. Die Wirkung hängt wesentlich davon ab, ob der Geruch positiv oder negativ besetzt ist.

Was der Geruchssinn zu leisten vermag

In der Nase befinden sich circa 20 Millionen Riechzellen auf nur zehn Quadratmillimetern. Dadurch ist die Schleimhaut in der Lage tausende von Düften zu unterscheiden. Zur Identifizierung des Duftes reichen schon einige wenige Moleküle aus. Jeder Duft ist in einer Art Duftregister gespeichert, daran kann niemand etwas ändern. Riecht jemand einen Duft zum zweiten Mal, kommen sofort die Erinnerungen hoch.

Dufttherapie

In der Psychologie nutzen Therapeuten diesen Effekt, um psychische Erkrankungen zu behandeln. Speziell bei der sogenannten Anhedonie, also der Unfähigkeit Freude zu empfinden, setzen Therapeuten gezielt Düfte ein. In den Therapiesitzungen lässt sich immer wieder beobachten, dass Patienten plötzlich anfangen zu lächeln, wenn sie einen bestimmten Geruch wahrnehmen. Auf Geruchsspaziergängen kommen sie ganz bewusst mit verschiedenen Gerüchen in Kontakt. Sobald der richtige Duft gefunden ist, freuen sich die Patienten, diesen Geruch wiederentdeckt zu haben. Für sie ist es wichtig, ganz bewusst Gerüche wahrzunehmen, beispielsweise ist der morgendliche Kaffee nicht einfach nur eine Flüssigkeit. Der Geruch kann bei bewusster Wahrnehmung angenehme Gefühle auslösen. Patienten sind auf einmal wieder ausgeglichener.

Duftmarketing

Die Werbewirtschaft macht sich dieses Phänomen ebenfalls zunutze. Mithilfe von Duftmarketing wollen clevere Werbefachleute den Absatz von Produkten steigern, die Kundenbindung stärken oder den Markenwert steigern. Durch eine einfache Veränderung des Geruches in einem Raum versuchen sie den Geruchssinn zu manipulieren – und damit letztlich auch den Menschen in seiner emotional geleiteten Entscheidung. Findet die Beduftung beispielsweise außerhalb der Geschäftsräume statt, lassen sich so Kunden in die Räumlichkeiten locken. Es ist ebenfalls Duftmarketing, wenn sich neben dem Regal für Tiefkühlpizza der Geruch frisch gebackener Pizza ausbreitet. Auch die Duft-Rubbel-Proben in Kosmetikkatalogen oder Zeitschriften sind eine Form des Duftmarketings. Düfte lassen sich dabei ganz bewusst und offensichtlich oder unterschwellig einsetzen.

Hotels nutzen diesen Effekt ebenfalls

Banken parfümieren ihre Filialen. Die Commerzbank hat zum Beispiel Kreditkarten die nach Orange, Kirsche, Rose oder Zimt riechen. Dabei bewirken Nanopartikel die Geruchsentwicklung, die sich im Zusammenhang mit ausreichend Sauerstoff aktiviert. Es wird also nicht der Geldbeutel parfümiert, sondern nur die Luft. Hotelketten machen sich mit einem individuellen Duft unverwechselbar. Der Hausduft von großen Fünf-Sterne-Hotels beispielsweise ist auf der ganzen Welt gleich. Gäste erkennen den Geruch sofort wieder, auch wenn sie in diesem Hotel noch nie waren, sondern beispielsweise in einem andern Haus der gleichen Kette. Unterschwellig angewendet, stören diese Düfte niemanden. Wird die Konzentration jedoch zu hoch, kann sich das ins Gegenteil verkehren. Riecht es zu intensiv in einem Geschäft oder auch außerhalb, kann das abschreckend wirken.

Düfte im Unternehmen

Auch Unternehmen machen sich die Wirkung von Düften zunutze. Spezielle Raumduftsysteme verbreiten Wohlfühlgerüche in den Räumlichkeiten. Diese sorgen einerseits für Wohlbefinden unter den Mitarbeitern und können zusätzlich Fähigkeiten wecken. So kann der Duft nach Eukalyptus Leistungsfähigkeit und Konzentration fördern. Das kommt heute schon in japanischen Schulen und Büros zum Einsatz.

Pixabay @ gate74 (CCO public domain)

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